Flippi in der Dose
„Die Zappler“ blödelten im Tübinger Jazzkeller Nie! Vergiss es!“ Mein Freund war nicht rumzukriegen: Keine zehn Pferde hätten ihn am Montag in das Konzert im Tübinger Jazzkeller gebracht. „Zappler“ gleich „Schlager“ gleich „Volksmusik“, so seine Argumente. Mein Einwand, „die waren schon im Fernsehn“, trug eher …
„Die Zappler“ blödelten im Tübinger Jazzkeller
Nie! Vergiss es!“ Mein Freund war nicht rumzukriegen: Keine zehn Pferde hätten ihn am Montag in das Konzert im Tübinger Jazzkeller gebracht. „Zappler“ gleich „Schlager“ gleich „Volksmusik“, so seine Argumente. Mein Einwand, „die waren schon im Fernsehn“, trug eher zur Erheiterung bei: Es war der Musikantenstadl-Nachwuchswettbewerb 2008. Ich blieb stur.
Stimmgewaltig, unverfroren und nicht auf den Mund gefallen: Die Tübinger Band „Die Zappler“ – im Bild Peter Panik und Bappler-Zaschti (von links) – spielten im Tübinger Jazzkeller mit „Schlagercore“ auf. Bild: Faden
„Hey, die sind witzig, ich hab’ die schon mal gesehen. . .“ Nix zu machen. Ging ich eben allein hin. Pah!
„Die weltberühmten Zappler“, verkündete über der Bar im Jazzkeller eine Tafel: „Schlager und ohrenzerfetzende Musik.“ Wie die sieben Jungs mit „Aufi geht’s“-Rufen auf die Bühne preschten – der eine in Lederhosen, der andere in einer Jacke mit Pornokragen, der nächste die Haare nach hinten gelegt wie ein Gigolo – da beruhigte ich mich: Die meinen das nicht ernst. Oder trügte mich meine Erinnerung an das Konzert Anfang 2008 im Tübinger Hades?
Beim Opener „Rio“ keimte der Zweifel weiter: „Ich will an die Costa Brava, ich will nach Casablanca“, schmalzte Bappler-Zaschti ins Mikro und verdrehte melodramatisch die Augen. Der Wechselbass wummerte, und das Volk – gut 80 Zuhörer drängten sich vor der Bühne – zappelte ab, wie übrigens das komplette Konzert über bis zum letzten Ton.
„Wir sind froh, wieder zu Hause zu sein“, eröffnete Bappler-Zaschti. Denn die Tübinger Formation hat sich längst in die Studentenstädte der Republik verteilt. Sie nennen ihren Stil „Schlagercore“, angeblich beeinflusst von Gothic, Afro-Beat und christlichem Rap. Quatsch! Es sind eher die Einflüsse Bier, Schalk und Feierlaune. Und so ließen sie Delphin „Flippi“ über zwei Strophen durch die Zeilen hüpfen, um ihn „gefangen, aufgeschlitzt und aufgehangen“ in einer Thunfischdose enden zu lassen. Olé!
Die „Krise“ erledigten sie in einer dampfenden Tasse Kaffee. Nicht das einzige Getränk, dem die Zappler huldigten: Gitarrist Anderleee am Mikro widmete der Vollmilch eine Rock-Ode, lasziv mit halb entblößten Oberkörper. Und auch Bier wurde besungen – freilich ein Tübinger Gebräu.
Ihren musikalischen Horizont haben die Sieben weit gefasst. Da darf man etwa zu Balkansound im „Husarenritt“ über die Tanzfläche juckeln, bis es am Ende heißt: „Das schwarze Tor öffnet sich und eine Welle der Liebe schwappt über die Welt.“ Ach ja, die Liebe: Die wird nicht nur im Latino-Stil bei „Señorita Margarita“ gefeiert. Es kommt auch die Jugendliebe „Angelique“ zur Sprache. Diese suchte – für Zoten sind sich die Zappler nicht zu schade – „nur den nächsten Fick“.
So wird musikalisch die Unschuld „zwischen Popcorn, Müll und Dreck“ gesucht, untermalt mit Punkrock. Fazit dieses Songs: „Wer früher vögelt, fängt den Wurm.“ Das geht langsam an die Schmerzgrenze.
Doch die Zappler boten auch harmlose Gesänge. Etwa über einem Baum – das Publikum tanzte dazu skurril in Formation. Anderthalb Stunden wurde gescherzt, geblödelt, gesungen. Die Stimmung: prima. Ich wusst’s doch: Die Zappler sind witzig.
Von Fabian Ziehe
Schwäbisches Tagblatt vom 15.10.2009
Weit weg von Roy Black
Tübingens Kulturexport Nummer eins sieht aus wie eine Rockband und klingt wie Dieter-Thomas Kuhn: “Die Zappler” nennen sich die sieben jungen Musiker, die inzwischen auch in Freiburg eine wachsende Fan-Gemeinde haben. Lässige Jeans, bequeme T-Shirts, eine Zigarette in der einen und das Eintrittsband eines Rock-Festivals …
Tübingens Kulturexport Nummer eins sieht aus wie eine Rockband und klingt wie Dieter-Thomas Kuhn: “Die Zappler” nennen sich die sieben jungen Musiker, die inzwischen auch in Freiburg eine wachsende Fan-Gemeinde haben.
Lässige Jeans, bequeme T-Shirts, eine Zigarette in der einen und das Eintrittsband eines Rock-Festivals um die andere Hand: Dass die beiden jungen Männer schon mal im Musikantenstadl auf der Bühne standen, glaubt man auf den ersten Blick nicht. “Die Zappler”, so heißt die Band der beiden Studenten und fünf ihrer Freunde, versuchte dort, sich gegen Nachwuchssänger aus der Schweiz und Österreich durchzusetzen. 12 Prozent der Anrufer stimmten für die Zappler und wählten sie damit mit Abstand auf Platz drei von drei. “Wir haben dadurch gemerkt, dass wir mit Schlager- oder Volksmusik eigentlich nicht viel gemeinsam haben”, erklärt Frontmann René Royal. Der 23-Jährige studiert ebenso wie zwei weitere Bandmitglieder in Freiburg. Geprobt wird aber in Tübingen, denn dort entstand die Band vor rund zwei Jahren aus einer Bierlaune heraus im Brauhaus Neckarmüller, dem heutigen Sponsor der Band. “Irgendwie kamen wir da auf die Idee: Komm, lasst uns mal Schlager machen”, sagt Peter Panik, Gitarrist der Gruppe. “Wir wollten das Klischee auf die Spitze treiben.” Doch aus dem scherzhaften Gedanken wurde schnell ein ernstes Projekt und “Bubenträume”, so der Titel des ersten Albums, gingen in Erfüllung: In Tübingen sind die sieben schon längst eine Kultband, auch in Freiburg begeistern sie regelmäßig ihre Fans. Gerade haben sie sogar ihren ersten Auftritt in Berlin über die Bühne gebracht. Mit “Tore und Amore”, “Vollmilch” und “Rio” heizen sie dem Publikum ein und bringen es, natürlich, zum Zappeln. “Irgendwo zwischen Dieter-Thomas Kuhn, den Ärzten und Deichkind” verorten Royal und Panik ihre Musik. “Bei unseren Konzerten werden die Leute zu Tieren.” Von Ballermann und Bierzelt sehen sie sich aber ebenso weit entfernt wie von Blanco und Black: Schlager-Core nennen sie ihre Musik. Die Abgrenzung zur “Hölle, Hölle, Hölle”-Fraktion á la Jürgen Drews gestaltet sich dennoch schwierig, auch wenn die Tübinger immer wieder beteuern, ihre Musik sei anders und subtiler und habe mit herkömmlichen Fetenhits nichts zu tun.
Von Dana Hoffmann
Badische Zeitung vom 22.08.2009